Aufwärtstrend – Teil 2

21. Juli 2021

Wie im vergangenen Artikel beschrieben geht es in diesem Beitrag darum die Leistung der deutschen Nationalmannschaft im Vergleich zu anderen Weltmeisterschaften zu analysieren. Dies beinhaltet einmal einen subjektiven Teil sowie einen objektiven Teil, der einfach die Ergebnisse und Zahlen von ausgewählten Weltmeisterschaften miteinander vergleicht.

Eine umfangreiche Darstellung der Wettkämpfe steht auf der Seite des Deutschen Orientierungssport-Verbandes. Dort wurde über jede Entscheidung einzeln berichtet. Interviews und Podcasts geben umfassende Hintergrundinformationen zu den deutschen Läufern.

Weiterhin bieten sich zur Informationsgewinnung während oder nach Orientierungssportveranstaltungen auch die Analysen von anderen Teilnehmern an. Im Bereich der Weltspitze Orientierungslauf gibt beispielsweise Daniel Hubmann einen interessanten Einblick in deutscher Sprache. Dort erfährt man z.B. etwas über die immer wiederkehrende Problematik der Gruppenbildung mit den Vor- und Nachteilen für jeden einzelnen Teilnehmer. Einen umfassenden Überblick mit zahlreichen Links bietet World of O.

Nun zur allgemeinen Einschätzung: Geografisch gesehen ist Tschechien ein östlicher Nachbar Deutschlands, was wiederum die Trainingsmöglichkeiten für deutsche Läufer entsprechend vereinfacht. Auf eine WM wird sich in der Regel über einen längeren Zeitraum vorbereitet. Zahlreiche deutsche Läufer sind vermutlich auch schon in Jugendjahren in Tschechien gestartet, eine mittelfristige Vorbereitung war regelmäßig und mit weniger Kosten als sonst möglich. In der finalen Vorbereitungsphase vor den Weltmeisterschaften gab es dann aber für alle Nationen aufgrund der Corona-Pandemie Einschränkungen beim Training vor Ort (u.a. Zeitpunkte). Auf den ersten Blick sind diese Voraussetzungen erstmal ein Vorteil für die deutschen Teilnehmer.

Betrachtet man die Wettkämpfe bzw. Karten mal ein wenig genauer, dann wird schnell sichtbar, dass unsere Nachbarn sehr unterschiedliche und zumeist auch spezielle Gelände rausgesucht haben. Damit war der Fokus je nach Start auch unterschiedlich zu setzen. Eine generelle Vorbereitung auf „tschechisches Gelände“ funktionierte damit eher weniger.  Parallel dazu leben auch mehrere Nationalläufer seit Jahren in Skandinavien, so dass die Waldzeit in Tschechien mitunter verhätnismäßig übersichtlich war.

Der Wettkampf in der Festungsanlage von Theresienstadt mit seinen Unterführungen, mehreren Ebenen und verschiedensten Bebauungen war aus meiner Sicht eine besondere Sprintumgebung. Beim Weltcup im norwegischen Halden kann ich mich beispielsweise in stark vereinfachter Form an eine ähnliche Anforderung erinnern. Weitere Wettkämpfe in einer Festungsumgebung sind auf internationaler Ebene eher eine Seltenheit. Ob nun der Bahnleger Daniel Wolf als oft gesehener Gast und Unterstützer bei Trainingseinheiten der Nationalmannschaft ein Vorteil ist bzw. war, kann ich nicht beurteilen.

Die Strecken der Sprintstaffel führten durch Doksy (erschwert durch zahlreiche künstliche Zäune). Beim Blick auf die Karte ist dies eine typische Anforderung im Bereich Sprint, auf die sich denke ich jeder gleich gut mit Luftbildern vorbereiten konnte.

Beim Blick auf die Mitteldistanz musste ich gleich an die WM in Frankreich 2011 denken. Während es im Vorlauf noch einige offen zu belaufende Teilbereiche gab, ging es im Finale laut dem Kartenmaterial an einem Hang fast ausschließlich durch irgendwelche Steinfelder und grüne Abschnitte. Aus meinen Erfahrungen bei Wettkämpfen in der Nähe bedeutet das ein extrem schwer zu belaufendes Gelände mit ganz speziellen technischen Anforderungen, welche auch Gruppenbildungen begünstigen. Es war für mich daher wenig verwunderlich, dass dort z.B. das französische Team bessere Platzierungen als zur Langdistanz rausgelaufen hat. In der Regel sind tschechische Läufer gerade in solchen Gebieten sehr stark – offensichtlich ging die Rechnung aber nicht auf.

Zur Staffel und Langdistanz ging es dann in die Felsgelände bei Doksy. Die Besonderheit in diesen Sandsteinarealen ist, dass dort in der Regel Felsbänder (siehe Karte) existieren, bei denen der richtige Einstieg gefunden werden muss (im Gegensatz z.B. zu den Sudentenland Open). Sofern das gelingt, ist der mögliche Zeitverlust im Postenumkreis eher gering. Sofern das nicht gelingt, ist die Chance allerdings groß richtig Zeit zu verlieren. Parallelfehler sind in solchen Gebieten keine Seltenheit – beim Laufen steht man schnell im falschen Tal oder auf dem falschen Berg und versucht sich dann die Karte zurechtzulegen. Da in diesen Gebieten auch der in Skandinavien typische Heidelbeerbodenwuchs allgegenwärtig ist, hatten die Skandinavier bzw. die in Skandinavien lebenden deutschen Starter zumindest aus dieser Sicht keinen großen Nachteil. Die immer wiederkehrenden kurzen Anstiege in die Felsbänder hinein muss man aber trotzdem erstmal physisch verkraften können.

Zusammengefasst denkt man also erstmal, dass es bei einer WM im Nachbarland fast zwangsläufig bessere Ergebnisse geben muss. Die Details verraten aber eine sehr viel differenziertere Betrachtung bei jeder einzelnen Entscheidung.

Homepage Weltmeisterschaften 2021

Was sagen die Zahlen nun zum Abschneiden? Wie waren die Ergebnisse und Zeiten im Vergleich zu vergangenen Weltmeisterschaften?
Dazu gibt es einen tabellarischen Vergleich zwischen den Weltmeisterschaften 2021 (Doksy/Tschechien), 2019 (Østfold, Norwegen) und 2008 (Olomouc, Tschechien). Da die WM 2019 eine reine Wald-WM war, wird zum Sprintvergleich die WM 2018 in Riga/Lettland herangezogen.

Wald-WM / Jahr

2021

2019

2008

Teilnehmende Nationen

40

48

40

Anzahl Starter Gesamt (W/M)

129 / 172

133 / 165

134 / 188

Anzahl Starter Quali Mitteldistanz (W/M)

83 / 100

104 / 121

88 / 114

Anzahl Starter Finale Mitteldistanz (W/M)

56 / 58

(beste 15; 3 Quali-Läufe + Länderquote)

60 / 61

(beste 15; 3 Quali-Läufe + Länderquote)

45 / 45

(beste 15; 3 Quali-Läufe)

Deutsche Platzierung Damen (im jeweils unterschiedlichen Vorlauf), (Rückstand Siegerin)

10 (+6:29min) / 11 (+3:05min) / 13 (+5:29min)

5 (+1:23min) / 19 (+8:13min) / 25 (+10:58min)

15 (+6:06min) / 19 (+8:02min) / 22 (+9:11min)

Deutsche Platzierung Herren ((im jeweils unterschiedlichen Vorlauf), (Rückstand Sieger)

7 (+3:21min) / 16 (+5:16min) / 21 (+9:17min)

16 (+4:26min) / 17 (+5:03min) / 32 (+11:23min)

20 (+3:57min) / 31 (+13:23min) / - (Fehlst)

Deutsche Platzierung Damen (im Finale), (Rückstand Siegerin)

20 (+9:20min) / 34 (+15:01min) / 38 (+18:05min)

25 (+6:14min)

40 (+15:17min)

Deutsche Platzierung Herren (im Finale), (Rückstand Sieger)

31 (+10:58min)

24 (+5:05min)

-

Anzahl Starter Langdistanz (W/M)

59 / 67

*ohne Quali, Quotenregelung

71 / 78

*ohne Quali, Quotenregelung

85 / 105

*Langdistanz Qualifikation

Deutsche Platzierung Damen (Rückstand Siegerin)

22 (+15:29min) / 36 (+24:43min)

19 (+15:52min)  / 38 (+26:48min)

Qualifikation nicht geschafft

Deutsche Platzierung Herren (Rückstand Sieger)

38 (+24:18min) / 45 (+28:20min)

26 (+15:58min)

*2019 nur ein Herr startberechtigt

35 (+13:49min)

Anzahl Staffeln (W/M)

24 / 30

30 / 36

26 / 36

Deutsche Platzierung (W/M), Rückstand zur Siegerstaffel

12 (+18:24min) / 8 (+9:16min)

12 (+11:58min) / 10 (+8:36min)

15 (+23:40min) / 16 (+14:33min)

Sprint-WM / Jahr

2021

2018

2008

Teilnehmende Nationen

40

49

40

Anzahl Starter Gesamt (W/M)

129 / 172

*Alle Disziplinen

152 / 189

134 / 188

*Alle Disziplinen

Anzahl Starter Quali Sprint (W/M)

78 / 100

96 / 116

84 / 111

Anzahl Starter Finale Sprint (W/M)

45 / 46

45 / 46

45 / 46

Deutsche Platzierung Damen (im jeweils unterschiedlichen Vorlauf), (Rückstand Siegerin)

10 (+0:49min) / 11 (+1:41min) / - (Fehlst)

12 (+1:15min)

21 (+1:51min) / - (Fehlst)

Deutsche Platzierung Herren (im jeweils unterschiedlichen Vorlauf), (Rückstand Sieger)

12 (+0:57min) / 12 (+1:12min) / 15 (+1:18min)

19 (+1:03min) / 22 (+1:06min) / - (Fehlst)

1 / 5 (+0:24min) / - (Fehlst)

Deutsche Platzierung Damen (Finale), (Rückstand Siegerin)

26 (+1:42min) / 37 (+2:22min)

33 (+2:37min)

-

Deutsche Platzierung Herren (Finale), (Rückstand Sieger)

21 (+1:24min) / 38 (+2:16min) / 41 (+2:28min)

-

19 (+1:18min) / 25 (+1:26min)

Anzahl Sprintstaffeln (Gemischt)

26

32

Noch nicht im Programm

Deutsche Platzierung (Gemischt), Rückstand zur Siegerstaffel

15 (+7:24min)

20 (+9:34min)

Noch nicht im Programm