Das Sommerinterview – eine Analyse

4. September 2021

Vor wenigen Stunden habe ich auf der Seite o-sport.de das Sommerinterview des Nationaltrainers Thomas Meier als Artikel eingestellt. Auf der einen Seite war es inhaltlich sehr interessant zu lesen, da auch ich sehr viele neue Einblicke in andere Sichtweisen erhalten habe. Auf der anderen Seite konnte ich aber nicht nur im Zusammenhang des Interviews mehrere geschichtliche Wissenslücken feststellen.

Eine kurze Einordnung möchte ich daher vornehmen.

Grundsätzlich ist das Thema Geschichte ja immer so eine Sache – wie man dies beispielsweise auch jetzt bei der Überschwemmung im Ahrtal gesehen hat. Grundsätzlich könnte man sagen, wir hatten doch z.B. mal 1997 (Oderhochwasser) und 2002 (Elbe/Donau) "Extremereignisse". In Kombination mit der inzwischen vorhandenen Software (z.B. ArcGIS), automatischen Hochwasssermodellierungen und dem Thema Klima mit lokalen Starkregenereignissen hätte man dort (analog zu vielen anderen Gegenden in ganz Deutschland) ja mal proaktiv auf seine Experten hören und entsprechende Szenarien (bis auf den kleinsten Dorfbach) durchspielen können, um dann für den Tag X vorbereitet zu sein. Zumindest als Lehrender an der Uni in Innsbruck hatte ich seinerzeit die Grundlagen für die Arbeit mit solcher Software vermittelt. Analog zur letzten Stadtrundfahrt in Dresden, wo der Busfahrer süffisant zu meiner Meinung darauf hinwies, dass nun zahlreiche 2002 meterhoch überschwemmten Gebiete (welche damals als Bauland ausgewiesen waren) inzwischen bebaut sind, die Anwohner also beim nächsten Hochwasser einfach nur die Türen aufmachen müssen, ist das mit dem Thema Geschichte bzw. proaktiven Handlungen offensichtlich so eine Sache – unbewusst oder bewusst.

In Bezug auf das Sommerinterview des Nationaltrainers ist die Denkweise und der Ansatz als Nationaltrainer und im Leistungssport sehr interessant. Viele Ansätze bringen den Orientierungssport in Deutschland voran. Es besteht hierbei auch die Frage, ob wir es neben der Qualifikation für die World Games tatsächlich in der Elite mal schaffen ein Ausrufezeichen zu setzen, um dann einen seit mehreren Jahrzehnten erhofften Befreiungsschlag in Deutschland zu schaffen und entsprechend Aufmerksamkeit und Gelder generieren zu können. Der letzte Homepageeintrag der stärksten deutschen Läuferin Susen Lösch klang dort ein wenig resigniert. Selbst bei den weit vergangenen World-Games/Weltmeisterschafts-Medaillen für Deutschland (Frauke Schmitt-Gran / Karin Schmalfeld) gab es dort nicht mehr als ein laues Lüftchen - und das war bevor die öffentlich rechtlichen Sender in Deutschland die Marschrichtung oberhalb der Regionalebene im Sport komplett auf den Fussball von Liga 1-X eingestellt haben. Ein klarer Weg ist für den Leistungssport OL aber erkennbar. Die aktuelle Förderthematik ist auch wie diese ist. Eine Quelle für die benannte Abstimmung im Deutschen Olympischen Sportbund (Ablehnung 400:1) habe ich nicht gefunden. Die Cheerleader haben mir mal im persönlichen Gespräch aufgezeigt wie lang und steinig eine Aufnahme in den DOSB als eigenständiger Verband sein kann. Herr Hörmann hat als DOSB-Präsident unabhängig davon zuletzt keine gute Figur gemacht und wird laut Sportschau seinen Posten zur Verfügung stellen. Inwiefern sich dort etwas im DOSB ändern wird, wird die Zeit zeigen.

Nicht ganz korrekt ist die geschichtliche Einordnung der Situation im Artikel in Bezug auf den Breitensport, was man aber von einem Trainer, der einen Vergleich zur Schweiz beschreibt, natürlich auch nicht erwarten kann. Die Voraussetzungen / Verhandlungen sind auf der Geschichtsseite von o-sport.de beschrieben. Sämtliche Quellen und Dokumente bzw. Verhandlungen dazu sind verlinkt. Die Gründung des Fördervereins bzw. später auch des DOSV beruhen ganz klar auf dem Umstand, dass getroffene Zusagen nicht eingehalten und die Gelder des DTB auf 0 gesetzt wurden (unabhängig der Begleichung zu 50% des Beitrages des Internationalen Orientierungssport Verbandes).

Nun kann man sagen, dass dies ja alles andere Zeiten waren und man sich einfach mit dem zufrieden geben soll, wie es halt so ist – also analog zur Situation bei Corona, wo viele jüngere Generationen für cirka ein Jahr in den Wartemodus gesetzt wurden und man nun der Meinung ist, dass man dort z.B. in Sachsen mit ein paar Hunderttausend Euro für Jugendliche die massiven Steigerungen der Kindswohlgefährdungen, Kinder mit fehlenden Entwicklungsstufen, Vereinsaustritten etc. in den Griff bekommt. Daran habe ich so meine Zweifel.

Richtig ist in jedem Fall der Ansatz, dass genau jetzt die Zeit ist alles mal 1:1 auf den Prüfstund zu stellen und sich selber die Frage zu stellen, ob man selbst in der Vergangenheit dem richtigen Ansatz gefolgt ist oder ob dies immer so weitergehen muss (Stichwort auch immer weniger Ehrenamtliche, Vereine etc.). Während der Corona-Zeit habe ich zahlreiche Seiten / Informationen von privaten Angeboten gefunden, welche auf eigene Faust Sport- und OL-Angebote für den Nachwuchs gestaltet und auch durchgeführt haben – unabhängig der Vorgaben durch den Deutschen Turner-Bund, den lokalen Turnverbänden oder irgendwelche Behörden. Nicht nur auf de.statista.com ist nachzulesen, wen die gesamte Corona-Thematik mit tödlichen Auswirkungen von Anfang primär betrifft. Wenn man also im Orientierungslauf schon selbst gegen seinen eigenen Dachverband agieren muss, sich über Hygienemaßnahmen, Konzepte etc. umfangreich streiten muss, dann steht die Frage, ob das tatsächlich alles so richtig ist und auch für die Zukunft genau so sein muss wie das jetzt ist.

Die intensiven Auseinandersetzungen der letzten Jahre kamen also nicht ausschließlich intern zustande, sondern auch zwischen den Orientierungssportlern und dem DTB bzw. den Turnverbänden, da der Orientierungssport so gesehen kein Hallensport ist und ganz andere Parameter hat. Die richtige Antwort für die Zukunft ist aus meiner Sicht ein starker DOSV mit viel Verhandlunsmasse, welcher neben der Homepage, dem O-Manager oder weiteren Aktitvitäten im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit den Orientierungssport auf Bundesebene in der Breite in den kommenden Jahren umfassend etablieren und entwickeln kann - parallel zu den Aktivitäten auf Landes- und Vereinsebene.

Die Entscheidung, ob ein Verein teil des DOSV sein möchte, trifft aber analog zur kommenden Bundestagswahl jeder selbst.

Auch dort kann man erleben, wie solche Themen wie Dieselskandal, Mautdebakel, Berateraffäre, Afghanistan, Hochwasser (CDU) oder HSH Nordbank, Cum-Ex, Wirecard (SPD) laut Medien keinerlei Rolle in der Entscheidung für den Bundeskanzler spielen sollen. Für alle nachfolgenden Generation ist das aus meiner Sicht vor allem ein Lehrbeispiel für Anstand in der deutschen Gesellschaft. Was man selbst von anderen fordert (Stichwort persönliche Beleidungen von Politikern in Dresden mit anschließenden mehrwöchigen Diskussionsrunden auf zahlreichen Kanälen) sollte man auch als Maßstab an sich selbst setzen, wenn man als Einzelperson oder Partei Milliarden vom deutschen Steuerzahler ohne Entschuldigung und Rücktritt versenkt hat.

Update Bundestagswahl: Inzwischen gibt es auch zum Thema Klima ein neues Video von Rezo - sehenswert!